Planung
Licht 8 | 2022

Neues Arbeiten in alten Räumen

Ehemaliges Schlachthofviertel in Berlin

30 Jahre lag das Areal brach, nun kehrt wieder Leben in die denkmalgeschützten Hallen des einst größten Schlacht- und Viehhofs Europas ein. Im Herzen der Hauptstadt entstehen unter dem Namen DSTRCT.Berlin neue Formen des kreativen Arbeitens und Austausches. Die Lichtplanerin Ulrike Link von INNIUS DÖ antwortet mit ihrem Lichtkonzept auf die anspruchsvolle Architektur aus Bestand und Neubau.

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Abb.: Das Lichtkonzept sah vor, verbindende Elemente in Form von Linien zu schaffen. Die direkt-indirekte Beleuchtung sorgt in den historischen Hallen für angenehmes und homogenes Arbeitslicht. Ulrike Link

Ehemalige Schlachthöfe sind als Sanierungsprojekte bei Investoren beliebt und für Planer immer eine willkommene Herausforderung, dem teilweise denkmalgeschützten Bestand neues Leben einzuhauchen. Oftmals entstehen neue Quartiere inmitten rauer Industriearchitektur mit offenen, loftartigen Räumen, die dem kreativen Austausch von Startups, Büros oder Künstlern dienen. Den meist roh belassenen Räumen haftet immer noch etwas »Derbes« und Authentisches an. Lost Places werden zu beliebten New Work Places. Investoren haben dieses Potenzial längst erkannt, und so entwickeln sich rund um den Globus aus alten Viehhöfen beeindruckende Kreativviertel und neue kulturelle Zentren mit neuen kulinarischen Konzepten. In Anlehnung an das vielleicht bekannteste ehemalige und größte Schlachthofviertel, den New Yorker Meatpacking District, sollte auch das DSTRCT.Berlin neue Impulse setzen. Das Gebäudeensemble im Szeneviertel Prenzlauer Berg besteht aus drei denkmalgeschützten Backsteinhallen. Geplant sind alle Nutzungen, die ein modernes Arbeiten ermöglichen sollen: Loftbüros, Co-Working-Spaces, Meetingräume, Dachterrassen, Innenhöfe, Gastronomie, Fitnesscenter und Läden lokaler Einzelhändler. Zentrales Element ist der futuristische gläserne Neubau, eine Art »Kathedrale des New Work«, so die Architekten Gewers Pudewill. Hier will man auf fünf Geschossen zukunftsweisende, lichtdurchflutete Arbeitsplätze für rund 2.500 Mitarbeiter schaffen. Die acht Meter hohen Loggien und zwölf Meter breiten Erker rhythmisieren das Gebäude. Ganz im Zeichen der Mobilität, wird es unter dem Neubau die mit Elekotroladestationen ausgerüstete größte Fahrradgarage Berlins geben, inklusive patentierter Fahrradschließsysteme, Duschen, Umkleideräumen und Schließfächer.

Abb.: Das Gebäudeensemble im Szeneviertel Prenzlauer Berg besteht aus drei denkmalgeschützten Backsteinhallen. Zentrales Element ist der futuristische gläserne Neubau, eine Art »Kathedrale des New Work« für rund 2.500 Mitarbeiter. HB Reavis
Abb.: Der Spagat zwischen moderner Halle und historischen Hallen und die teils stark variierenden Raumhöhen von vier bis acht Metern stellten große Herausforderungen an die Beleuchtung. Ulrike Link
Abb.: Die Pendelleuchten sind kaum sichtbar zwischen den Akustikbaffeln versteckt. Zusammen sorgen diese für eine gute Akustik und für blendfreies, homogenes Licht. Ulrike Link

Individualität in der Gemeinschaft

Keine Massen an Technik, sondern bedürfnisorientierte Technologien. Der Bauherr HB Reavis Germany möchte dadurch seine Nutzer nicht überfordern, sondern gezielt die Technologie anbieten, die benötigt wird. Diese konzentriert sich z. B. auf eine sensorgesteuerte, automatisch optimierte Luftqualität (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt, Luftfilter, Aerosolkontrolle), die die Gesundheit und das Wohlbefinden der dort Arbeitenden unterstützt. Wichtig war auch Oliver Fuchs, Country Development Director bei HB Reavis Germany, auf starre Grundrisse zu verzichten, da jedes Unternehmen seine eigenen Bedürfnisse und Ansprüche hat. Gestaltungsmöglichkeiten der Flächen werden bewusst offengehalten und Mietern angeboten, Flächenkonzepte gemeinsam nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Als besonders herausfordernd, aber auch konstruktiv, gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde. Eher ungewöhnlich war die Zustimmung der Behörde, die während der Leerstandsphasen entstandenen Graffiti an den historischen Mauern als zeitgenössische Kunst zu erhalten.

Abb.: Im Empfangsbereich ergeben die vertikalen Stabpendelleuchten zusammen mit der horizontalen Holzstruktur ein kontrast- und spannungsreiches Erscheinungsbild. Ulrike Link
Abb.: Der Charme der ehemaligen Industriedenkmals war gleichzeitig auch eine große Herausforderung für die Architektur und Lichtplanung. Im Bild sind die während der Leerstandsphasen entstandenen Graffiti zu sehen. Ulrike Link
Abb.: Die schwarze Gehäusefarbe der Leuchten nimmt das architektonische Materialkonzept auf. Rechts zu sehen: die während der Leerstandsphasen entstandenen Graffiti. Ulrike Link
Abb.: Weit auskragende Stehleuchten schaffen durch ihre spezielle Linsentechnologie blendfreie Arbeitsplatzbeleuchtung mit neutralweißer Lichtfarbe. Ulrike Link

Ulrike Link war es wichtig, die Gebäudegrundstruktur in ihrem Wesen zu erhalten und erlebbar zu machen. Der Spagat zwischen moderner Halle und historischen Hallen und die teils stark variierenden Raumhöhen von vier bis acht Metern stellten große Herausforderungen an die Beleuchtung, ebenso wie die Montagesituation an der historischen Dachkonstruktion und an den akustischen Decken. Das Konzept sieht vor, verbindende Elemente in Form von Linien zu schaffen: mit direkt-indirekter Beleuchtung von Pendelleuchten in den historischen Hallen und direkter Beleuchtung unter den Galerien als Anbau- und Pendelvariante bzw. in der neuen Verbindungshalle als Einbauleuchte. Hierfür wählte das Planungsbüro eine Lichtfarbe von neutralweißem 4.000 K. Durch die Linsentechnologie in den Leuchten wird ein UGR <19 erreicht, die Steuerung erfolgt über Konstantlichtregelung. Die schwarze Gehäusefarbe nimmt das architektonische Materialkonzept auf und unterstreicht den industriellen Charme. In den »Hauptschiffen« der historischen Hallen wurden Lichtlinien im Bereich der Deckenkonstruktion rechts und links neben den Bindern montiert. Die Rhythmik zieht sich durch die Bereiche unterhalb der Galerien des Mittelschiffes, der Seitenschiffe und der neuen Verbindungshalle. Durch die Spieglung in der Fassade und den gläsernen Trennwänden werden Raumeindrücke erweitert. Die Arbeitsplatzleuchten erfüllen die Anforderungen an die DIN und werden dort eingesetzt, wo erhöhte Sehanforderungen und Gleichmäßigkeiten notwendig sind. Ergänzt werden diese durch dekorative Leuchten in den Loungezonen, die durch ihre gläserne Optik entmaterialisierend wirken.

Das Berliner Architekturbüro Gewers Pudewill hat dieses Projekt bereits seit vielen Jahren begleitet und mehrere Eigentümer bei deren Planungen unterstützt. Gemeinsam mit allen Akteuren und in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde wurde mit dem DSTRCT.Berlin eine Symbiose aus Alt und Neu geschaffen. Die historischen Hallen wurden in detailgetreuer Arbeit liebevoll restauriert und in einzigartige Arbeitswelten verwandelt.

Abb.: In den Loungezonen ergänzen dekorative Leuchten die Arbeitsplatzbeleuchtung. Durch ihre gläserne Optik wirken diese entmaterialisierend. Ulrike Link
Abb.: Das lineare Leuchtenkonzept setzt sich auch in den Meetingzonen fort, hier allerdings als Einbauvariante. Ulrike Link
Abb.: Im Treppenhaus treffen dekorative auf technische Leuchten sowie bestehende auf neue Architektur. Hierbei ergeben sich spannende Blickbezüge. Ulrike Link

Weitere Informationen:

Projekt: Neubau Bürogebäude und Sanierung denkmalgeschützter Schlachthofhallen (DSTRCT), www.dstrctberlin.com

Bauherr: HB Reavis (UBX 2 Objekt Berlin S.à.r.l.), www.hbreavis.com

Architektur: Gewers Pudewill, Berlin, www.gewers-pudewill.de

Lichtplanung: INNIUS DÖ GmbH, Dresden, www.innius.de; Ulrike Link (ULRIKE LINK I LICHTPLANUNG), Berlin, www.ulrikelink.de; Bereiche der Lichtplanung: Außenanlagen, Neubau: Lobbys, Fahrradgarage, Innenhöfe, Verbindungsflure, historische und neue Hallen

Fotos: Ulrike Link, HB Reavis (Außenaufnahme)

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